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Buchs (SG) Leipzig

Die Reise zum Mittelpunkt …

Aufbruch in ein neues Leben. Mit einem neuen Job und einer neuen zukunft in Kanada vor mir.

Ich finde den Vorgang des Reisens an sich ja ziemlich doof. Keineswegs das Dort- oder Woanders-Sein, sondern vielmehr das doch recht lästige Dorthin-Kommen.

Gepäck

Alles beginnt mit dem Gepäck, welches eine schwerwiegende Allianz mit der Schwerkraft gebildet hat. 20kg auf den Schultern – das mag im Fitness Studio zum Aufwärmen genügen, als permanente Rückenbeschnallung ist es jedoch recht unangenehm. Die Arme schlafen ein, die Schultermuskulatur ist dauerhaft angespannt. Die Laptoptasche baumelt vor dem Bauch umher, das Handgepäck folgt träge und knallt in unregelmäßigen Abständen gegen die Hacken. Alles in allem fühlt man sich doch recht unattraktiv und fragt sich, wann man selbst anfängt, wie ein Esel zu klingen.

Deutsche Bahn

Weiter geht es mit der Deutschen Bahn, welche aufgrund von polizeilichen Ermittlungen den geplanten Zug um ganze 100 Minuten in die Zukunft verlegt und somit den Anschluss verpasst. Herrlich. Für derartige Experimente bin ich der richtige Kandidat. Auf dem Bahnhof Leipzig ist aber, mittels einer durchaus kompetenten und auch angenehmen Informationsmitarbeiterin, schnell eine Alternative gefunden. Inbegriffen: der ICE Sprinter. Folglich gleitet mein Körper in einem roten Sitzmöbel des Bordrestaurants mit einer Geschwindigkeit von knapp 300 km/h durch die germanische Gegend zwischen Erfurt und München. Als kleines Bonbon begleitet mich der Kabarettist Florian Schröder, bekannt aus Funk und Fernsehen. Ich würde natürlich niemals sagen, dass ihn die Realität nicht weniger attraktiv macht, aber diesen Teil der Reise genieße ich dann doch. Bedauerlicherweise ließ er sich nicht dazu überreden, ein wenig lustig zu sein. Aber gut, ist ja auch seine Freizeit.

Auf dem Hauptbahnhof München transportiere ich mein gefühlt 100 Kilogramm schweres Gesamtpaket (Kommentar vom Autor: der Rucksack fühlt sich mittlerweile wie 50 Kilogramm an) in die Schweizer Bahn. Obwohl der Schaffner eine frappierende Ähnlichkeit mit Bob dem Baumeister aufweist und die Schweizer Bahn sich selbst als SBB abkürzt, nenne ich das Gefährt nicht Schweizer Bobbahn. Nein, auf diesen Wortwitz verzichte ich hier. Das wäre wirklich zu flach und wir sind immerhin in den Alpen bzw. auf dem Weg dahin. Der EC enttäuscht mich erneut nicht. Ja gut, die babyblaue Plastik an den Wänden wirkt in Summe etwas unterkühlt. Herzerwärmend sind jedoch die sprachlichen Fähigkeiten des Zugpersonals. Gekonnt schwenkt der durch die Gänge huschende Kellner zwischen (mir derzeit noch) schwerverständlichem Schwitzerdytsch und klarem Hochdeutsch. Fantastisch. Ich habe ein neues Ziel vor Augen.

Euro City

Zielorientiert fliegen wir durch die Nacht. Der Euro City, meine Gedanken und ich. Langsam deckt uns der Himmel zu und verfärbt sich in zunächst schillernden Farben, bis am Ende der Horizont gänzlich in der Dunkelheit verschwindet. Die Erhabenheit der uns umgebenden Landschaft erkenne ich nicht. Getragen von den melancholisch schönen Klängen des Olafur Arnalds, geblendet von der uns umgebenden Nacht, umfängt mich mit einem Mal die Erkenntnis. Warum die erste Bahn nicht fuhr. Warum der Komiker nicht komisch war. Die Bahn fuhr nicht, damit ich einen späteren Zug nehme und im Speisewagen auf den nicht komischen Komiker treffe. Denn er hat verstanden: Es gibt keinen Grund zum Lachen. Alles führte zu diesem Moment der Unabdingbarkeit. Hier endet es und hier beginnt es. Das Bisherige und das Kommende treffen aufeinander. In diesem Zug, auf dieser Reise. Hinter mir: beständige Freude und Liebe. Vor mir: Ungewissheit. Und dennoch überkommt mich keine Angst, keine Furcht und kein Bangen, kein Schmerz. Es fühlt sich richtig an.

Buchs (SG)

In Buchs eingetroffen, empfängt sie mich: Die Bestätigung, dass es richtig war. Die Zustimmung, dass es keinen Grund zur Angst oder Furcht gibt. Mein Mitbewohner holt mich am Bahnhof ab und sofort verstehen wir uns. Keine Scheu, Keine Scham. Nur sofortige Sympathie. Noch beständiger wird das gute Gefühl beim Anblick der Residenz. Über den Dächern von Buchs, mit Rund-Um-Blick auf die umliegenden Berge. Die Gegend, in Dunkelheit getaucht, wird durchzogen von orangefarbenen Perlenketten und ist eingetaucht in das silbrige Licht des Monds. Atemlos und erschöpft falle ich ins Bett und lasse mich nicht stören vom in der Nacht tobenden Föhn-Orkan.

2 Antworten auf „Die Reise zum Mittelpunkt …“

Herr Voltz, an Ihnen ist ein Schriftsteller/Poet verloren gegangen!!! Das ist einfach nur herrlich! So was muss unbedingt veröffentlicht werden! Ich freue mich bereits auf weitere Beiträge! 🙂

Ich kann Frau Berg nur zustimmen. Du hast wieder ganze Arbeit geleistet. Toll 🙂
Wenn es mit dem aktuellen Job doch nicht so doll ist, kannst du ja immer noch zum Schreiberling umschwenken. Das Zeug dazu hast du ja.
Hab ne schöne Zeit 🙂
LG Heike

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